Güterrechtliche Auseinandersetzung
Die Scheidung einer Ehe hat bekanntlich auch Konsequenzen finanzieller Natur. Denn die Ehe stellt aus traditioneller Sicht eine Wirtschaftsgemeinschaft dar. Auch wenn sich heutzutage die Weltanschauung geändert hat, bleibt dennoch die Frage, was mit den Vermögenswerten der Eheleute im Falle einer Scheidung, einer Ungültigerklärung der Ehe oder des Todes einer Ehepartnerin/eines Ehepartners passiert. Diesen Verteilungsvorgang von Vermögenswerten nach einer Scheidung bezeichnet man als güterrechtliche Auseinandersetzung.
Gut zu wissen
Als güterrechtliche Auseinandersetzung bezeichnet man die Verteilung der Vermögenswerte der Eheleute nach der Auflösung des Güterstandes infolge Scheidung, Tod, Ungültigerklärung der Ehe oder gerichtlicher Anordung im Falle von Eheschutzmassnahmen.
Die einzelnen Güterstände
In der Schweiz kennt das Güterrecht drei Arten, das Vermögen der Ehegatten zu verwalten. Man bezeichnet diese als Güterstände. Der Güterstand tritt mit der Eheschliessung in Kraft. Er legt fest, wem während der Ehe was gehört und wie das Vermögen und die Schulden bei Scheidung oder Tod zu verteilen sind.
Bei den drei Güterständen handelt es sich um:
Unabhängig davon, welcher Güterstand in Ihrer Ehe zur Anwendung kommt, wird der Güterstand mit der Scheidung, dem Tod, der Ungültigerklärung der Ehe oder aufgrund gerichtlicher Anordnung aufgelöst. Das heisst, dass das finanzielle Organisationsmodell – der Güterstand – auf das Ehepaar keine Anwendung mehr findet. Nach Auflösung des Güterstands erfolgt die sogenannte güterrechtliche Auseinandersetzung, d.h. die Verteilung der Vermögenswerte.
Wie genau die Verteilung des Vermögens vor sich geht, hängt vom Güterstand des Ehepaares ab. In den nachfolgenden Abschnitten erklären wir, wie die einzelnen Güterstände funktionieren.
Errungenschaftsbeteiligung
Der Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung kommt automatisch zur Anwendung, wenn das Ehepaar im Voraus nicht mittels Ehevertrag etwas anderes vereinbart hat. Bei diesem Güterstand teilt man das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen hälftig.
In einem ersten Schritt geben die geschiedenen Eheleute die Vermögenswerte, die jeweils dem anderen Ehepartner gehören, zurück. So trennen sie physisch ihr Eigentum.
Eigengut und Errungenschaft
Im zweiten Schritt eruiert man die Gütermassen der Eheleute. Wir unterscheiden dabei das sogenannte Eigengut und die Errungenschaft. Zuerst bestimmt man das Eigengut der einzelnen Parteien und zieht es vom ehelichen Gesamtvermögen ab.
Gut zu wissen
Als Eigengut bezeichnet man alle Vermögenswerte, die von Gesetzes wegen bei der Scheidung nicht geteilt werden. Dazu gehören z.B. Erbschaften, Schenkungen, Vermögen, das bereits vor der Ehe angespart wurde. Und auch Dinge, die ausschliesslich dem persönlichen Gebrauch dienen, gehören zum Eigengut.
Zieht man das gesamte Eigengut der Eheleute vom ehelichen Gesamtvermögen ab, erhält man die sogenannte Errungenschaft.
Gut zu wissen
Als Errungenschaft bezeichnet man das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen. Zu diesem zählen das Gehalt der Eheleute und alle Einkünfte, die Ersatz für Lohn darstellen. Beispiele dafür sind Leistungen der beruflichen Vorsorge und Entschädigungen wegen Arbeitsunfähigkeit. Auch Anschaffungen, die mit dem Erwerb aus Arbeitsleistung bezahlt wurden, zählt man zur Errungenschaft. Falls die Zuordnung eines Vermögenswerts nicht eindeutig möglich ist, teilt man ihn der Errungenschaft zu.
Schulden
Für Schulden gilt dasselbe Prinzip. Sie sind Teil des Eigenguts oder der Errungenschaft, und zwar je nachdem, mit welcher Gütermasse sie am engsten zusammenhängen. Schulden tragen sozusagen das Schicksal des Vermögenswertes. Haben die Eheleute mit dem Lohn der Ehegattin ein Auto finanziert, so gehört auch der Auto-Leasingkredit der Errungenschaft an.
Geschenke an Drittpersonen
Um das eheliche Vermögen zu schützen, rechnet man Geschenke an Drittpersonen, die innerhalb der letzten fünf Ehejahre ohne Zustimmung der Ehegattin/ des Ehegatten erfolgt sind, zum ehelichen Vermögen hinzu. Das Gleiche gilt für andere Geschäfte, die den Zweck haben, den anderen Ehegatten zu schädigen. Last-Minute-Geschenke an Dritte ändern deshalb nichts am zu teilenden ehelichen Vermögen. Hiervon ausgenommen sind übliche Gelegenheitsgeschenke. Beispiele dafür sind Geschenke im Rahmen von besonderen Ereignissen (Geburtstag, Weihnachten o.ä.). Dies aber nur, sofern es sich betragsmässig nicht um grössere Geschenke handelt. Gelegenheitsgeschenke werden in der Regel bei Geschenken im Wert von maximal CHF 5’000 angenommen.
Vorschlag
Nach Abzug allfälliger Schulden erhält man den sogenannten Vorschlag, d.h. die Summe, die es mit der Ehegattin/dem Ehegatten zu teilen gilt.
Beispiel Zuordnung Errungenschaft
In diesem Fall beträgt der Vorschlag der Ehefrau CHF 120‘000. Auf die Hälfte davon, also CHF 65’000, hat der Ehemann Anspruch. Der Vorschlag des Ehemannes beträgt CHF 900‘000. Die Ehefrau hat Anrecht auf die Hälfte seines Vorschlages, das heisst auf CHF 450’000. Insgesamt erhält die Ehefrau in diesem Beispiel damit von Ihrem Ehemann CHF 385’000.
Gütergemeinschaft
Die Gütergemeinschaft ist der “romantischste” unter den Güterständen. Er lässt das Vermögen beider Ehegatten zu einem einzigen Vermögen verschmelzen. Mit notariell beglaubigtem Ehevertrag kann ein frisch verliebtes Ehepaar sein Glück besiegeln und von der gesetzlichen Standardregel, der Errungenschaftsbeteiligung, abweichen.
Gut zu wissen
Bei der Gütergemeinschaft besteht das Vermögen der Eheleute zum einen aus dem Gesamtgut, das beiden Ehegatten ungeteilt gehört und über welches sie ausschliesslich gemeinsam bestimmen können. Zum anderen gehört das Eigengut der Ehegattin und dem Ehegatten einzeln und die Ehegatten können allein darüber verfügen.
Was zum Gesamtgut gehören soll, legt das Gesetz nicht eindeutig fest. Dies lässt den Eheleuten Spielraum, um zu bestimmen, was in den gemeinsamen Topf kommt. Es gibt drei Zuteilungsvorschläge in Bezug auf das Gesamtgut:
Bei der allgemeinen Gütergemeinschaft zählt man alle Vermögenswerte, die nicht Eigengut sind, zum Gesamtgut. Zum Eigengut zählen neben Schenkungen, Erbschaften und Dingen des persönlichen Gebrauchs auch durch einen Ehevertrag bestimmte Vermögenswerte.
Bei der zweiten Möglichkeit, der Errungenschaftsgemeinschaft, besteht das Gesamtgut aus dem durch wirtschaftliche Tätigkeit erworbenen Vermögen. Dieses bezeichnet man als Errungenschaft.
Als dritte und flexibelste Option steht es den Eheleuten offen, durch einen Ehevertrag bestimmte Vermögenswerte oder Arten von Vermögenswerten, wie z.B. Grundstücke, als Gesamtgut individuell zu bestimmen.
Besonders an der Gütergemeinschaft ist, dass das Gesamtgut beiden Ehegatten ungeteilt gehört. Sie können darüber also ausschliesslich gemeinsam bestimmen, wenn es um Anschaffungen geht, die über die üblichen Angelegenheiten des Alltages hinausgehen. Der Unterschied zur gesetzlichen Standardregelung der Errungenschaftsbeteiligung liegt darin, dass bei der Errungenschaftsbeteiligung beide Eheleute über ihr eigenes Vermögen individuell verfügen.
Gütertrennung
Wie der Name dieses Güterstandes schon erahnen lässt, verfügen beide Eheleute über ihr eigenes Vermögen. Dies gilt unabhängig davon, wie das Vermögen erworben wurde. Die Eheleute werden auch am wirtschaftlichen Erfolg des jeweils anderen nicht beteiligt. Denn die Gütermassen der Eheleute spielen nicht zusammen.
Gut zu wissen
Bei der Gütertrennung verfügen beide Eheleute über ihr eigenes Vermögen. Dies unabhängig davon, ob das Vermögen durch Erbschaft oder wirtschaftliche Tätigkeit erworben wurde.
Als Konsequenz berühren Schulden einer Ehepartnerin/eines Ehepartners das eheliche Vermögen nicht. Entsprechend behandelt das Güterrecht die Ehegatten wie unverheiratete Personen.
Zum Einsatz kommt dieser Güterstand normalerweise im Falle eines gerichtlichen Eheschutzverfahrens oder in Sonderfällen, in denen eine Person ihr Vermögen vor dem Verhalten ihrer Ehepartnerin/ihres Ehepartners dringend schützen muss (beispielsweise bei verschwenderischer Lebensweise). Beides erfordert einen Beschluss durch ein Gericht.
Und wie sieht es in der Realität aus?
Auf den ersten Blick scheinen die Güterstände klar definiert und die güterrechtliche Auseinandersetzung eine simple Rechenaufgabe zu sein. Im Alltag lassen sich Vermögensgegenstände jedoch nicht immer klar dem Eigentum einer Ehegattin/eines Ehegatten oder einer Gütermasse (Errungenschaft, Gesamtgut, Eigengut) zuteilen.
Dies ist vor allem der Fall, wenn beide Eheleute einen Gegenstand mit unterschiedlichen Gütermassen finanziert haben. So kann ein Grundstückskauf, der durch die Erbschaft der Ehefrau, eine Schenkung an den Ehemann und eine Hypothek, die durch beide Eheleute aus Erwerbseinkommen bezahlt wird, zu einem administrativen Grosseinsatz werden. Auch unterliegt der Wert eines Vermögensgegenstandes Schwankungen und muss bei der Zuteilung z.B. in Form einer sogenannten Mehrwertbeteiligung angemessen berücksichtigt werden.
Oft investieren Eheleute auch in das Eigentum des jeweils anderen. So besitzt eine Ehegattin/ein Ehegatte oft Eigentum, das mit Hilfe der Ehepartnerin/des Ehepartners erworben wurde. Auch wenn Sie aus rechtlicher Sicht nicht das Eigentum an einem bestimmten Vermögenswert haben, könnten Sie im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung einen Anspruch auf Ihre Investition haben, und zwar inklusive des angefallenen Mehrwertes ihres Anteils.
Wenn die Ehegattin z.B. mit ihrer Erbschaft die gemeinsame Eigentumswohnung der Familie zu 40% finanziert und der Wert der Immobilie während der Ehe steigt, so hat sie Anspruch auf ihre Investition von 40% inklusive des anteiligen Mehrwertes. Dies ist auch der Fall, wenn die Immobilie in der güterrechtlichen Auseinandersetzung der Errungenschaft des Mannes zugeteilt wird, falls der Grossteil des Kaufpreises durch seinen Lohn bezahlt wurde. So werden die tatsächlichen Investitionsverhältnisse der Eheleute durch eine formelle Zuteilung nicht verschleiert.
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